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Hiddensee-Marathon 2007

Kurzbericht vom Wochenende (30.06.07).

Edle Seekajaks, Marathonboote, fast alle mit besonders schnellen Linien, geringen Gewicht, mit den dazu gehörigen Seemänner bzw. Seefrauen bildeten das Auffällige an diesem Wochenende im Gelände vom Kanuverein Stralsund. Die gepflegten Boote waren eine Aufwertung der Zelte, Wohnmobile Wohnwagen und deren Besitzer.

Die, die es schon wussten und die, die es noch erfahren werden hatten alle die Gewissheit, dass die Hiddensee-Umrundung (70 km) das extra ist im Deutschen Kanuwettkampfgeschehen. Zum Beispiel, wie viele offiziellen Paddelwettkampfe starten schon früh um 6 Uhr? Oder, das auf dem Seegewässer beständig 10km/h über 7 Stunden gepaddelt werden müssen (ausgesetzt dem Seewellen und Wind), um bei dem Siegen mit dabei zu sein. Oder, wo gibt es bei einem Kanupaddelwettkampf, dass ein „Marineboot“ als Kanu-„Lumpensammler“ einsetzt wird. Es gibt dort noch mehr Raritäten zu erleben, vor allem mit sich selbst.

Um 6 Uhr auf dem Wasser war „Morgenappell“. Alle Kämpfer brachen ihre persönliche Anwesenheit optisch und akustisch nach Aufforderung dar. Nach dem der Starter mit Durchzählen (bis Startnummer 36) fertig war und der Spruch des Tages (Aufforderung zum Naturschutz und sportliche Fährnis) noch mal verkündet war, erfolgte der lockere Start. Nach 2-3 Paddelschlägen, wurde doch sehr heftig am Paddel gezogen. Die Ersten nutzten die Möglichkeit die Nachfolgenden mit aufgeschäumtem welligem Wasser zu beeindrucken. Deshalb hatte bald jeder sein „eigenes Wasser“ um sein Boot. Auf Welle fahren war nicht ganz einfach, weil der Bodden schon eigene Wellen selbst produzierte. Meistens fühlte sich der „Schlepper“ belästigt und antwortete mich Kreuzattacken. Platz war dafür genug auf dem Bodden.

Bei Barhöft setzte der erste Regenguss ein. Mit Rückenwind war dies erträglich. Im ruhigen Wasser an der Südspitze von Hiddensee gab es die erste Zählung auf Vollständigkeit vom Motorboot aus. Nach ca. 2 Stunden war ich auf dem offenen Meer an der Südspitze von Hiddensee. Die Westseite, also die Breitseite, von Hiddensee ist ca. 15 km lang und war vom anliegenden Süd-Westwind geprägt. Es ergaben sich starke Behinderungen durch das Ostseewasser, der Wind drückte Dellen und Berge in das Wasser von durchschnittlich 2,5 m Höhe in unterschiedlichster Ausführung. Je mehr man in Richtung Vitte (Steilküste) kam um so häufiger wurden die Wellen mit den Schaumkämmen belegt. Ich fuhr deshalb ca. 1 km von der Küste entfernt um nicht so sehr dem brechenden Wellen ausgesetzt zu sein. Es entwickelte sich Notgedrungen eine große Verbundenheit zwischen Seekajak, Paddel und Bediener. Das ununterbrochene Paddeln, das rauschen der Wellen, die Erwartung / Vorahnung dass die „Schimmkörper fressende Welle“ kommt, war sehr reinigend im Kopf. Das Nebensächliche hatte keinen Platz mehr.


Einen großen Adrenalin-Schub gab es durch die vermittelten Angstgefühle einer brechenden Welle die das Boot quer mitnahm. Meine Paddelstütze kam dummerweise talseitig zu Einsatz was mir einen glaubhaften Eindruck des Untergangs vermittelte. Mit letzter Zehe konnte ich mich im Wellental wieder aus dem Wasser drücken. Gut das der Selbsterhaltungstrieb genug Auftrieb hatte.

An der Außenküste waren nur die zwei Schlauchboote mit Motor zur Beobachtung eingesetzt. Die anderen Motorboote konnten wegen dem hohen Wellengang nicht mit aufs Meer schwimmen. Da das Teilnehmerfeld schon sehr auseinander gezogen war wurde es eine schwierige Aufgabe für die Helfer an der richtigen Stelle zu sein.

Mit gereinigtem Gedächtnis, durchgeschaukelt, froh die hohe See über standen zu haben komme ich um ca. 11 Uhr am Nordkap, Enddorn an. Im Windschutz des Nordkaps, im ruhigen Wasser, sind endlich die Hände frei für die mitgebrachten Müsliriegel und für ergiebiges trincken. Die Chance zur Pause nutzen auch die Anderen.

In der Hoffung das es nicht mehr so dick kommt, wie eben erlebt geht es weiter in Richtung Vitter Bodden. Die Wellen im Bodden sind kein Problem mehr. Die Silhouette von Stralsund ist schon am Horizont zu erkennen. Es kann geradlinig darauf zugefahren werden. Auf der Höhe der Insel Heuwiese verschwindet dann der Horizont, weil eine große schwarze Regenwolke aus Westen zum Gegenangriff startet. Das ergibt starken Gegenwind mit viel Wasser von oben und von unten. Alles ist grau, nass, belastend und kein Ende in Sicht. Die belastenden Wellen sind auch wieder da. Die Richtung der Wellen ist die einzige natürliche Orientierung. Der Kompass auf dem Boot bekam die nötige Beachtung. Ca. eine halbe Stunde dauert das Aussaugen der letzten Kräfte im Windwasserwürgegriff. Nach 60 km paddeln gibt es nur noch Verlusteffekte. Nur noch mechanisch und im Kopf und Körper leer geht es mühsam weiter. Die drei Liter Trinkwasser für Unterwegs sind schon lange alle. Eine trockene Fruchtschnitte klebt im Mund, führt zu Würgereiz und Atemnot. Das Motorboot kommt vorbei und fragt ob alles in Ordnung ist. Ich kann nicht antworten und nicke nur. Vorsorglich haben sie nicht gefragt, ob man die Schnauze voll habe und ob man mit ins Motorboot will. Danach fasse ich dann noch zwei Regengüsse mit dem dazugehörigen Wind ab.

Durch den Kubitzer Bodden, der ca. 18.km breit ist, fährt man mitten durch. Der Süd-Westwind kann dort gut Schwung holen und einen zeigen das man zur verkehrten Zeit am falschen Ort ist.


Zuletzt paddle ich dann rechtwinklig zu den Wellen damit ich nicht noch nach 65 km reinkippe. Das macht die Strecke noch länger und das Kraut richtig fett. Das Ziel kommt viel zu langsam näher. Auf dem Bootssteg im strömenden Regen wird man erwartet und begrüßt. Ganz nach dem Motto“ Wir freuen uns über jeden der von der See zurück kommt“. Genau 9 Stunden habe ich mir geleistet um wieder mal meine Grenzen kennen zu lernen. Ende gut, alles gut?

Fazit

Der Wettkampf Hiddensee-Marathon wurde Leistungsgrenze (sollte es auch sein).

Für meine erste Teilnahme bin ich ganz gut weggekommen. Als Neuer habe ich Fehler gemacht und hatte trotzdem Glück. Andere mussten aufgeben. Also, ich bin schon zufrieden mit meiner Platzierung. Die 3 Liter aus dem Wassersack hatte ich schon nach 2/3 der Runde getrunken. Die Anzugsordnung und Ausrüstung hat funktioniert. Essen auch. Ich bin die Strecke durchgepaddelt, ohne auszusteigen. Nur am Nordkap, nach den großen Wellen hab ich mal das Paddel weggelegt um mich ein wenig zu erholen und auch ein paar Riegel zu essen. Während der Tortur habe ich mir oft gesagte, das ich so was nie wieder mache und dass ich heil froh sein werde, wenn ich hier gut raus komme. Nach dieser am eigenen Leib erlebten Risikoerkenntnis, werde ich die Zeit nutzen um die Kenterrolle sicher zu üben. Bei solchen Wellengang ist dies die einfachste Variante um im Boot zu bleiben.

Ich hatte keinen Muskelkater, aber die Knochen und Gelenke taten mir weh, sowie die Hände, die leicht „aufgeblasen“ waren.

Nachspann

Ein gutes fähiges Organisationsteam. Es gab ein gutes kleines Fest mit schöner Siegerehrung, schönen Preisen und Urkunden. Ein Massagezelt, Kaffee und Kuchen und Gegrilltes und natürlich Bier vom Fass.

Vielleicht doch noch einmal?